Berufsständische Versorgungswerke

Berufsständische Versorgungswerke sind Sondersysteme, die für die kammerfähigen Freien Berufe der Ärzte, Apotheker, Architekten, Notare, Rechtsanwälte, Steuerberater bzw. Steuerbevollmächtigte, Tierärzte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Zahnärzte, Ingenieure sowie Psychotherapeuten die Pflichtversorgung bezüglich der Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung ihrer Mitglieder sicherstellen.
Der Begriff "Berufsständisches Versorgungswerk" steht für eine solidarische Versicherungseinrichtung der besonderen Art auf landesrechtlicher Grundlage. Während der Bund, dem Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes folgend, die öffentlich-rechtliche Sozialversicherung organisiert, sie in eigener Gesetzgebungskompetenz finanzwirksam normiert und durch erhebliche Bundeszuschüsse auch eine finanzielle Garantie übernimmt, stellen die Länder als föderaler Gesetzgeber lediglich rechtlich die Basis und den Rahmen für die Gründung berufsständischer Versorgungswerke bereit. Als öffentlich-rechtliche Pflichtversorgungseinrichtungen "eigener Art" - klar abgegrenzt von den anderen Versorgungssystemen - beruhen sie auf landesgesetzlicher Rechtsgrundlage im Rahmen der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz der Bundesländer nach Art. 70 Grundgesetz.

Hervorzuheben ist dabei die Eigeninitiative des Berufsstandes, der seinerseits auch für die Finanzierung des Versorgungswerks gerade steht. Der Berufsstand verwaltet die Versorgungseinrichtung repräsentativ-demokratisch als Anstalt oder Körperschaft des öffentlichen Rechts oder als unselbständiges/teilrechtsfähiges Sondervermögen der sie tragenden öffentlich-rechtlichen Kammern. Das Land übernimmt lediglich die Rechts- und Versicherungsaufsicht als Konsequenz aus der landesgesetzlichen Ermächtigung des Berufsstandes.

Obwohl eine Pflichtversorgung sowohl für angestellt wie selbstständig tätige Angehörige bestimmter Berufsgruppen gegeben ist, handelt es sich bei der berufsständischen Versorgung damit nicht um Sozialversicherung im Sinne von Art. 74 Nr. 12 Grundgesetz. Zwar gibt es vor allem im Leistungsrecht strukturelle Ähnlichkeiten, denn wie in der Rentenversicherung werden das Alters-, Invaliditäts- und Todesfallrisiko ohne Gesundheitsprüfung für Frauen und Männer zu gleichen Bedingungen abgedeckt. Es besteht jedoch keine organisatorische oder rechtliche Anbindung an die Sozialversicherung.

Die berufsständischen Versorgungswerke fügen sich nahtlos und harmonisch in das gegliederte System der sozialen Sicherheit in der Bundesrepublik ein. Sie stehen selbständig neben den anderen Alterssicherungssystemen
- der Pflicht-Grundversorgung der 1. Schicht (Deutsche Rentenversicherung (Bund/Regionalträger), Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See, Künstlersozialversicherung, Landwirtschaftliche Sozialversicherung sowie staatliche Beamtenversorgung)
- der Pflicht-Zusatzversorgung der 2. Schicht (Betriebliche Altersvorsorge (z.B. Direktversicherung, Arbeitgeberzusage, Pensionskasse, Unterstützungskasse, Unterstützungsfond) oder Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes (z.B. Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL), Zusatzversorgungskassen der Gemeinden und Kirchen)
- der freiwilligen Versorgung der 3. Schicht (z.B. private Lebensversicherung).
Von der privaten Lebensversicherung unterscheiden sich die berufsständischen Versorgungswerke dadurch, dass die Mitgliedschafts-/Versorgungsverhältnisse nicht durch Vertragsabschluss entstehen und auch nicht privatrechtlicher Natur sind. Die Versorgungsverhältnisse entstehen vielmehr kraft Gesetzes, die Rechtsbeziehungen zwischen den berufsständischen Versorgungswerken und ihren Mitgliedern sind öffentlich-rechtlicher Natur; sie üben demgemäß im Rahmen ihres Versorgungsauftrages Hoheitsgewalt aus.

Die berufsständischen Versorgungswerke erfüllen wichtige berufspolitische Aufgaben. Sie sind vom Gedanken der kollektiven Eigenverantwortung geprägt und gewährleisten die Sicherstellung besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter, indem sie durch ihre Vorsorge einer Überalterung der Berufsstände vorbeugen und damit der Erhaltung voll leistungsfähiger Freier Berufe dienen. Gleichzeitig wird neben der Verbesserung der Altersstruktur hierdurch eine wichtige arbeitsmarktpolitische Funktion erfüllt.
Die berufsständischen Versorgungswerke erfüllen ihre Aufgabe in echter Selbstverwaltung. Gewählte Delegierte der Mitglieder/Versicherten beschließen über das Mitgliedschafts-, Beitrags- und Leistungsrecht. Das demokratische Prinzip ist hiermit deutlich verwirklicht.

Die berufsständischen Versorgungswerke sind eigenfinanziert. Sie erhalten keine Staatszuschüsse, sondern erfüllen ihren Versorgungsauftrag in Eigeninitiative und mit eigenen Mitteln. Eine Finanzierung nach Kapitaldeckungsgrundsätzen und die Betonung der Äquivalenz von Beitrag und Leistung sowie die Beschränkung auf die Kernaufgaben der Alterssicherung auf der einen, Umlageelemente in der Finanzierung, Pflichtversicherungscharakter, Solidarität und Kollektivbeziehungen statt individueller Äquivalenz auf der anderen Seite charakterisieren die eigenständige Position der berufsständischen Versorgung in der Bundesrepublik.